Die Kollektion umfasst auch eine Brosche, eine Halskette und Manschettenknöpfe mit einem geheimnisvollen Foto von zwei lässig lächelnden und offensichtlich befreundeten Männern.
– „Es sind modernistische Architekten – Heinrich Tischler und sein Cousin Moritz Hadda – außergewöhnliche Menschen, Bohème von Wrocław, und wegen ihnen habe ich die gesamte Kollektion „Die Jungs“ genannt“ – sagt Dominika Kuźniar.
Die Designerin hofft, dass die Kollektion möglichst viele Fans findet und die Aufmerksamkeit der Einwohner von Wrocław auf die Gebäude und Geschichten ihrer Erbauer lenkt. – „Möglicherweise werden wir dadurch unsere Stadt mit mehr Aufmerksamkeit und Neugierde betrachten“ – sagt sie.
Wrocławs Modernismus, der die Schmuckdesignerin inspiriert
Die Schmuckdesignerin liebt seit Jahren den Modernismus und bewundert seine Wrocławer Version. Ihre Faszination für die Architektur resultierte in der Verwendung von Beton, den die Künstlerin mit Silber, Perlen und Edelsteinen kombiniert.
Der Impuls zu neuen künstlerischen Erkundungen kam, als Dominika Kuźniar sich mit Agata Ganiebna, der Vorsitzenden der HA-Stiftung (Leiterin der jüdischen Grundschule Shalom Aleichem), traf.
Dominika Kuźniar, Schmuckdesignerin: – „Agata machte mir bewusst, wie viele Gebäude in Breslau, an denen wir täglich vorbeigehen und die wir bewundern, von Architekten jüdischer Herkunft entworfen wurden, wie viele talentierte, außergewöhnliche Familien hier ihr Leben führten. Dazu gehören die Brüder Richard und Paul Ehrlich, Heinrich Tischler, Moritz und Albert Hadda.
Die Bauwerke der oben genannten Architekten sind aus Wrocław nicht mehr wegzudenken. Die Brüder Ehrlich sind unter anderem die Schöpfer des berühmten Kaufhauses Julius Schottländer (an der Ecke ul. Świdnicka und pl. Teatralny), Moritz Hadda ist verantwortlich für das hervorragende Design des Hauses auf dem WuWa-Gelände (in der ul. Zielonego Dębu 19) oder das charakteristische Mehrfamilienhaus der Östreicher-Stiftung (an der Kreuzung der Straßen ul. Hallera und al. Pracy).“
Die Breslauer Bohème
Nicht alle „Jungs“ planten eine Architektenkarriere. Heinrich Tischler wurde praktisch durch Zufall ein Architekt. Er hat vor allem gemalt. Seine Grafiken übertrug Dominika Kuźniar auf Silber und machte daraus Ohrringe.
Einer der Grafiken zeigt Wellen, die wie aus den berühmten Holzschnitten des japanischen Meisters Hokusai aussehen. – „Es ist aber eine optische Täuschung“ – warnt die Schmuckdesignerin aus Wrocław, die ein großer Fan von Tischlers Werken ist.
– „Auch ich bin auf diese Täuschung reingefallen, denn eigentlich sehen wir einen bunten Linolschnitt, der nach dem Ersten Weltkrieg entstanden ist, und das, was wie japanische Wellen aussieht, ist in Wirklichkeit eine Explosion, unten liegen tote Menschen. Die schönen Muster sind die Nachwirkungen des Traumas, das Tischler im Krieg erlebt hat“ – erklärt die Künstlerin.
Dominika Kuźniar betont, dass sie in Tischler einen großartigen Zeichner, Karikaturisten, aber auch einen Architekten und Designer von Möbeln und Inneneinrichtung schätzt. Sie liebt auch die Entwürfe der Brüder Ehrlich, die im Vorkriegs-Wrocław ein solides Familienarchitekturbüro gründeten.
Dominika Kuźniar hat in der Kollektion „Jungs“ u.a. die Form eines Fensters im ersten Stock der Fassade des Stadthauses in der ul. Rynek 49 (dort befand sich das Kaufhaus Trautner) verwendet. Sie gab die Form in Silber wieder und fügte zusätzlich Granat hinzu. – „Diese Steine sind in der jüdischen Symbolik wichtig, sie stehen für Fülle“ – erklärt die Designerin.
Auch die Fenster selbst sind ihr wichtig. Für die Kollektion „Jungs“ wählte sie gleich drei aus, darunter zwei aus dem Gebäude in der ul. Włodkowica 5-9. – „Das Fenster hat eine Bedeutung - es ist die Öffnung, die Aussicht, die Luft. Und in meiner Serie geht es darum, die Geschichte zu beleuchten, Luft und neue Energie hereinzulassen“ – erklärt Dominika Kuźniar.
Schmuckserie „Jungs“ - eine Erzählung über die Geschichte von Wrocław
Der Aufschwung der jüdischen Architekten in Wrocław dauerte bis in die 1930er Jahre, und ihre Kriegsschicksale waren tragisch - die Brüder Ehrlich starben kinderlos im Lager Theresienstadt im tschechischen Terezin, Heinrich Tischler kehrte nach seiner Inhaftierung im Lager Buchenwald nach Breslau zurück, starb aber an den dort erlittenen Wunden. Moritz Hadda wurde von den Deutschen in Kaunas ermordet.
Die Erinnerung an die Werke der Brüder Ehrlich wurde von der Gemeinschaft um die Shalom Aleichem Grundschule und von Kunsthistorikern gepflegt. Die Nachkommen der Hadds und Tischler haben überlebt und sind seit Jahren Freunde von Wrocław. Mit Rührung und Begeisterung begrüßten die Idee der „Jungs“, an sie gingne auch die ersten Exemplare.
Dominika Kuźniar betont, dass ihre Schmuckkollektion nicht nur eine Geschichte über die jüdischen Architekten von Breslau ist, sondern auch eine Erinnerung an die Geschichte der Stadt und an die Menschen, die vor uns hier lebten.
– „Ich bin mir dessen bewusst, dass viele Einwohner von Wrocław sehr wenig über die Vorkriegsgeschichte der Stadt wissen und noch weniger über das Schicksal einzelner Familien. Wir haben so wenig Gelegenheiten, sie kennenzulernen! Ich denke, die Kollektion „Jungs“ ist ein guter Ausgangspunkt, um über die Vergangenheit zu sprechen, darüber nachzudenken, wer die Stadt gebaut hat und unter welchen Umständen, wer hier vor dem Zweiten Weltkrieg gelebt hat und wie. Dieser Schmuck lenkt die Aufmerksamkeit auf Details, auf bestimmte Architekten. Mein Schmuck soll, abgesehen von seinem ästhetischen Wert, eine Erklärung über das Wissen und den Wunsch, es zu teilen, sein“ – erläutert Dominika Kuźniar.
Neue Wrocław-Kollektion – diesmal über Mädchen
Zurzeit umfasst die Kollektion „Jungs“ neun Stücke. – „Es ist ein offenes Projekt, ich weiß nicht, wie viele ich letztendlich entwerfen werde, aber ich hoffe, so viele wie möglich“ – sagt Dominika Kuźniar.
Jedes Schmuckstück wird in einer limitierten Auflage von 20 Stück hergestellt. Die Kollektion wird um weitere Projekte erweitert, betont die Juwelierin. Und sie verrät, dass sie auch eine Idee für eine Serie mit Mädchen aus Breslau hat, von denen sie einige inspiriert haben. – „Es waren emanzipierte, tatkräftige Frauen, trotz des damals vorherrschenden Patriarchats“ – sagt Dominika Kuźniar.
Sie verrät, dass sie in dieser Sammlung unter anderem Dina de Paradeda würdigen möchte, die erste dokumentierte Transgender-Frau in Mittel- und Osteuropa, die eine Zeit lang in Breslau lebte und dort auch starb.
– „Als Mann in Brasilien geboren, war sie eine große Bewunderin von Chopin, lebte eine Zeit lang in Paris und kam später mit ihrem Verlobten nach Wrocław. Sie starb durch Selbstmord, nachdem ein Arztbesuch ergeben hatte, dass sie nicht vollständig weiblich war“ – erzählt die Juwelierin aus Wrocław.
Dominika Kuźniar bewirbt sich um ein Kunststipendium des Präsidenten der Stadt Wrocław, um ihre Erzählung der lokalen Geschichte von Menschen und Architektur durch Ohrringe, Broschen, Armbänder, Ringe und Manschettenknöpfe fortsetzen zu können.
Wo kann man Schmuck aus der Serie „Jungs“ kaufen?
Die Schmuckstücke von Dominika Kuźniar finden Sie in ihrem Online-Shop, im Atelier in der ul. Purkyniego 1 (im Erdgeschoss) oder in der Ausstellung „Odkładając rzeczy na miejsce. Żydowscy Breslauerzy i ich przedmioty (Die Dinge auf ihren Platz zurücklegen. Jüdische Breslauer und ihre Objekte) im OP ENHEIM Haus für Kultur.
– „Jedes Element der Kollektion „Jungs“ hat seine eigene Nummer und ein Zertifikat sowie eine Beschreibung, welche Person, welches Gebäude oder welches Kunstwerk hier die Inspiration war“ – erklärt die Designerin.
Link zum Text: https://www.wroclaw.pl/kultura/dominika-kuzniar-robi-bizuterie-inspirowana-architektura-i-postaciami-wroclawia